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13 Etappen: so entsteht eine Uhr
Ohne die Uhrmacher geht natürlich nichts in der Haute Horlogerie. Doch sie sind nicht die einzigen Stars am Himmel der Kreativen in diesem Metier. Wir haben die Entstehung der schönsten Uhren zurückverfolgt – von der ersten Idee bis zum Marketing.
ENTWICKLUNG
1. Die Idee
Es gibt viele Auslöser für die Initialzündung zu einer neuen Uhr: Mal geht sie auf einen Kundenwunsch zurück, mal antwortet sie auf einen neuen Markttrend, oder es kommt ein konkreter Auftrag direkt aus der Chefetage einer Marke. In der Regel ergreifen in einer Maison die Mitarbeitenden im Marketing oder ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Uhrwerkabteilung die Initiative. Nicht selten kommt der Anstoss zu einem neuen Uhrenmodell während gerade an einer neuen Komplikation gearbeitet wird.
2. Machbarkeitsstudie
Diese Aufgabe fällt in den Zuständigkeitsbereich der Techniker, Bureau Technique (BT), oder der Entwicklungsabteilung, Bureau d’Études (BE). Einige Manufakturen unterscheiden noch zwischen der Uhrwerksabteilung BT Mouvement und der Abteilung für die Habillage BT Habil-lage, obwohl man hier inzwischen zu einer Annäherung tendiert. Eine Machbarkeitsstudie kann, je nach Projekt, in einer Woche abgeschlossen sein oder bis zu sechs Monate dauern. Der Zeitaufwand hängt u. a. davon ab, wie überzeugt die Marke von ihrem neuen «Baby» ist. Für ein besonders vielversprechendes Projekt muss man manchmal viel Zeit und Geld investieren, damit es sich tatsächlich realisieren lässt.
3. Detailstudie
Sobald das Bureau Technique die Machbarkeit des Projekts bestätigt hat, übernimmt ein Team, das sich um die Detailstudie kümmert. Dieser Prozess kann sich über drei Monate bis zu zwei Jahren hinziehen. Manche Manufakturen beauftragen hiermit das gleiche hausinterne BT, andere Marken lassen diese Aufgabe extern erledigen. Mithilfe von CAD-Tools (computer-aided design oder rechnerunterstütztes Konstruieren) müssen 3D-Modelle für die Uhrwerke und das Gehäuse angefertigt werden. Die Ingenieure erstellen zum Teil recht komplexe Berechnungen für das Räderwerk und die Federn, aus denen sich der Mechanismus zusammensetzt. Die Detailstudie ist in jedem Fall eine zentrale Etappe auf dem Weg zur künftigen Uhr.
FERTIGUNGSVORBEREITUNG
4. Vorbereitung zur Industriereife
Ist das Projekt im Detail validiert, geht es darum, Kosten, Fertigungs- und Montageverfahren zu prüfen. Dies ist die Aufgabe des Bureau des Méthodes, der Abteilung für Arbeitsvorbereitung. Die Mitarbeitenden dort sollen die theoretischen Studien in die praktische Welt der industriellen Fertigung überführen und entsprechende Vorgabezeiten ermitteln. Ein ganzer Pool von Zeichnern erstellt in dieser Phase die Pläne, die an interne und externe Komponentenhersteller weitergegeben werden. Die Logistik kümmert sich um Ausschreibungen, Bestellungen, die Erstellung der Nomenklatur etc. Der Art Director (oder Creative Director) validiert die zukünftigen Veredelungen. Damit ist die Prüfung des Projekts abgeschlossen, jetzt werden die berühmten «Fertigungsaufträge» erteilt.
5. Fertigung
Dies ist die Phase, in der die validierten Komponenten tat¬sächlich zur Fertigung gelangen. Hier geht es um Budget und Lieferfristen. Das Ziel ist es, eine ideale Balance von interner Fertigung und Outsourcing bestimmter Aufgaben zu finden.
6. Kontrolle
Alle Komponenten einer Uhr werden einzeln von einer eigenen Abteilung geprüft. Die Mitarbeitenden achten darauf, dass die Komponenten mit den Plänen übereinstimmen, die man zuvor in der Phase zur Feststellung der Industriereife definiert hat. Sowohl bei den Masskontrollen als auch bei der Prüfung der ästhetischen Kriterien ist grösste Sorgfalt angesagt.
PROTOTYPENERSTELLUNG
7. Montage
Sobald die Lieferung mit den Komponenten eintrifft, werden sie in einem «Kit» sortiert. Jetzt kommt der Uhrmacher ins Spiel und beginnt mit der Montage des Prototyps, der «Numéro Zéro» oder «#0» des Modells. Es handelt sich um einen echten Test der Entwicklung. Teilweise wandert das Modell mehrfach wieder ins BT oder ins Labor zurück, um Anpassungen und Feinjustierungen vorzunehmen. Das lässt sich nicht immer vermeiden, wenn Theorie auf mechanische Wirklichkeit trifft.
8. Charakterisierung
Die Eigenschaften der Numéro Zéro werden minutiös kontrolliert, im strengen Abgleich mit dem jeweiligen Lastenheft. Gangreserve, chronometrische Leistung – alles wird sorgfältig geprüft.
PRODUKTION
9. Fertigung der Vorserie
Ist der Prototyp finalisiert, funktionstüchtig und stimmt mit dem Lastenheft überein, werden offiziell die «Fertigungsaufträge» für eine Nullserie erteilt, mit der die ersten Exemplare des neuen Modells Form annehmen. Im Gegensatz zu den Prototypen kommen die Modelle der Nullserie nicht in den Handel.
10. Verzierung, Habillage, Einschalen
Bis zu dieser Etappe waren die Modelle noch nicht «fertig»: Man hat bis hierher ausschliesslich das Uhrwerk, ohne Gehäuse, ohne Veredelungen und ohne Armband kontrolliert. Mit der Vorserie treten nun die Metiers der Verzierungen, der Habillage und des Einschalens auf den Plan. Jetzt werden die uhrmacherischen Veredelungen vorgenommen. Sie erklären den Preisunterschied zwischen einem Kaliber der unteren Preisklasse und den Exemplaren der Haute Horlogerie: Anglierungen, Perlierungen, Sonnenschliff, Genfer Streifen etc. werden gemäss der Uhrmacher-Tradition ausgeführt.
FINALISIERUNG
11. Prüfung der Zuverlässigkeit
Die ersten Exemplare der Vorserie werden geprüft, um ihre individuelle Leistung zu testen. Dafür betrachtet man zunächst allein die Uhrwerke, anschliessend werden sie im Gehäuse bei laufendem Betrieb begutachtet. Die Tests dauern mindestens eine Woche pro Stück und stellen sicher, dass die Zeitmesser mit den festgelegten Kriterien voll und ganz konform gehen.
12. Einsetzen des Armbands, Verpackung, Verschicken
Jetzt folgen die letzten beiden Etappen: Intern hat die Marketingabteilung bereits ein Narrativ entwickelt, das das Modell seit der Etappe der Vorserie begleitet. Parallel dazu wird die Bedienungsanleitung verfasst und übersetzt.
13. Marketing und Verkauf
Sobald die Uhr fertiggestellt ist, setzt sich die Marketingabteilung mit den Botschaftern in Verbindung: Sie präsentieren die Stücke den Detailhändlern, zum Beispiel bei den einschlägigen Branchenterminen. Die Verkaufsabteilung ist das letzte Glied in der Kette. Sie wählt gemeinsam mit jedem einzelnen Detailhändler sorgfältig die Modelle aus, die anschliessend dem Endkunden angeboten werden.