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Mehr als die Uhrzeit - Was für ein Tag ist heute?
Uhren mit Datumsanzeige
Die Tage lassen sich viel einfacher voneinander unterscheiden als die Stunden : Es wird hell, es wird dunkel, es wird wieder hell – ein neuer Tag beginnt. Länger und wieder kürzer werdende Tage wiederholen sich in einem bestimmten Rhythmus - ein Jahr vollendet sich. Diese Beobachtungen stehen am Anfang unserer Zeitmessung : Die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde ergibt die Einteilung der Zeit in Tage und Jahre, den Kalender. Zur Planung von Aussaat und Ernte ist das Jahr mit seinen Jahreszeiten für frühe Kulturen eine lebenswichtige Zeiteinheit, während später das Datum, der Tag des Monats, für Verträge und Abmachungen von grosser Bedeutung ist. Deshalb haben bereits Grossuhren des Mittelalters und der frühen Neuzeit eine Datumsanzeige, die meist von Planetendarstellungen begleitet wird, wie zum Beispiel bei der Berner Zytglogge von 1530, eine der ältesten erhaltenen Uhren der Schweiz. Als sie gebaut wurde, waren Astronomie und Astrologie noch stark miteinander verbunden, man glaubte, dass die Positionen der Planeten und des Mondes Einfluss auf das tägliche Leben haben, und bestimmte insbesondere den Zeitpunkt für medizinische Eingriffe nach dem Stand der Sterne. Das « richtige » Datum hat in dieser Zeit also zusätzlich eine astrologische Dimension.
Zu den besonders an Fürstenhöfen begehrten kleinen « astronomischen » Uhren gehört diese Uhr (Abb. 4), die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Frankreich angefertigt wurde. Marc Girard, der auf dem Werk signiert hat, ist seit 1593 als Uhrmacher in Blois nachgewiesen, der zeitweisen Residenz der Könige von Frankreich und einem Zentrum der frühen Uhrmacherkunst. Er heiratet dort 1610 und knüpft wichtige Verbindungen. Der silberne Boden und der Deckel seiner Uhr sind mit gravierten Bildern nach Werken des bedeutenden Kupferstechers Étienne Delaune (um 1518–1583) verziert, die allerdings vom Tragen der Uhr aussen an der Kleidung undeutlich geworden sind. Das Gehäuse aus vergoldetem Messing ist fein durchbrochen und graviert gearbeitet, und mit Vögeln, Kaninchen und Pflanzenranken ist auch die Zifferblattseite reich geschmückt. In ihrem unteren Bereich gibt ein Zeiger auf dem eingravierten Zifferblatt mit römischen Zahlen die Stunden an, oben kann man auf einem silbern unterlegten Zifferblatt den Monat und das Datum ablesen, ebenso wird dort auch angegeben, wie viele Tage der jeweilige Monat hat. In einem kleinen Fensterchen seitlich wird der Wochentag angezeigt und durch die Darstellung des jeweils ihm zugeordneten Himmelskörpers ergänzt, symbolisiert durch ein Bild des entsprechenden antiken Gottes : der Mond oder die Göttin Diana für den Montag, Mars für den Dienstag, Merkur für den Mittwoch, Jupiter für den Donnerstag, Venus für den Freitag, Saturn für den Samstag und die Sonne für den Sonntag. Gegenüber dieser Anzeige befinden sich in weiteren Fensterchen die Anzeigen für die Mondphase und das Mondalter.
Wenige Jahre zuvor hatte die Kalenderreform des Papstes Gregor XIII beim Datum einschneidende Änderungen vorgenommen, die auch in den katholischen Ländern nur zögerlich eingeführt wurden : Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582, folgte sofort Freitag, der 15. Oktober 1582. Die Anzahl der Schaltjahre wurde gegenüber dem bis anhin geltenden Julianischen Kalender verringert. Diese Umstellung war notwendig geworden, weil der für die Berechnung des Osterdatums so wichtige astronomische Frühlingsbeginn, die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche am 21. März, nicht mehr mit dem Sonnenstand übereinstimmte. Obwohl fast alle Länder Europas, auch die protestantischen, bis spätestens Mitte des 18. Jahrhunderts den Gregorianischen Kalender angenommen hatten, wurden noch lange Verträge mit beiden Daten unterschrieben und Kalender gedruckt, die sowohl das alte als auch das neue Datum sowie Hinweise auf verschiedene Mond- und Planetenpositionen enthielten, wie das hier abgebildete Kalenderblatt zeigt (Dok. 1): Es stammt aus einem Kalender für das Jahr 1796. Man kann sich gut vorstellen, dass die Menschen damals oft auf die Datumsanzeige ihrer Uhr schauten, um sich zu vergewissern, ob sie das « richtige » Datum hatten.
Ungefähr um 1790 stellen « Robert et fils et Compagnie » in La Chaux-de-Fonds diese doppelseitige Taschenuhr (Abb. 4) her, deren klug durchdachte Zifferblätter und Anzeigen das Zeitalter der Vernunft widerspiegeln. Das elegante Zifferblatt in Schwarz und Weiss auf der Rückseite der Uhr erlaubt es, die Stunden und Minuten des Tages in arabischen Ziffern im weissen Feld, diejenigen der Nacht in römischen Ziffern im schwarzen Feld abzulesen ; ebenso befindet sich auf dieser Seite die Anzeige der Mondphase und des Mondalters. Auf dem weiss emaillierten Zifferblatt der Hauptseite mit dem grossen Sekundenzeiger aus der Mitte sind zwei kleine Hilfszifferblätter angebracht : Auf dem unteren kann man wiederum die Uhrzeit in Stunden und Minuten ablesen, auf dem oberen den Wochentag und das Datum, und zwar auf sehr geschickte Weise : Die längere Spitze des Zeigers für den Wochentag zeigt mit dem anderen Ende auf das heute noch gebräuchliche graphische Symbol für den Planeten, der für den jeweiligen Wochentag steht. Der zweite Zeiger auf diesem Zifferblatt gibt das Datum an. Zur Anzeige des Monats werden in ähnlicher Weise beide Enden des zweiten grossen Zeigers auf dem Hauptzifferblatt genutzt : Dieser zeigt mit einem Ende auf den abgekürzten und mit der jeweiligen Anzahl der Tage versehenen Monatsnamen, mit dem anderen Ende auf das dazugehörige Tierkreiszeichen.
Eine ganz andere Art der Darstellung wählt die wohl um 1820 in Süddeutschland angefertigte, ebenfalls doppelseitige Taschenuhr (Abb. 6) : Auf dem grossen Zifferblatt befinden sich sieben kleine Hilfszifferblätter mit je eigenen Zeigern, auf denen man Folgendes ablesen kann : In der Mitte die Stunden und Minuten, das Hilfszifferblatt bei zwölf Uhr gibt an, ob es Tag oder Nacht ist. Dasjenige bei zwei Uhr zeigt den Wochentag, jenes bei vier Uhr die Sekunden, jenes bei sechs Uhr das Mondalter und die Mondphase, jenes bei acht Uhr das Datum von 1–31 und jenes bei zehn Uhr schliesslich den Monatsnamen und die Anzahl der Tage des Monats. Unter anderem aufgrund der Gestaltung der Anzeigen mit Hilfszifferblättern wird angenommen, dass diese Uhr in der Nähe von Stuttgart im Umkreis von Philipp Matthäus Hahn (1739–1790) gebaut wurde, der eine äusserst spannende Persönlichkeit ist : Zum Pfarrer ausgebildet, widmete er sich von Jugend an der Uhrmacherei. Noch ganz im mittelalterlichen Geist erstellte er Zeittafeln zur christlichen Heilsgeschichte, erfand daneben aber auch Präzisionsinstrumente wie zum Beispiel Waagen und baute erste Rechenmaschinen. Zu seinen zahlreichen Schülern gehörte wahrscheinlich auch Carl Wagner, in dem man den Erbauer dieser Uhr vermutet.
Beinahe wie eine heutige mechanische Uhr wirkt die um 1880 von Ulysse Oppliger in La Chaux-de-Fonds gebaute Taschenuhr (Abb. 7). Das Datum von 1 bis 31 wird hier auf einem Sektor des Hauptzifferblattes mit einem grossen Zeiger aus der Mitte angezeigt, für den Wochentag und den Monat gibt es je ein kleines Hilfszifferblatt, in einem kleinen Fensterchen kann man die Mondphase ablesen, und ein kleiner Zeiger aus der Mitte gibt Auskunft, ob der Monat 28, 29, 30 oder 31 Tage hat. Im Unterschied zu den anderen hier vorgestellten Uhren, die man am Monatsende jeweils von Hand nachstellen muss, verfügt diese Uhr über eine faszinierende technische Besonderheit, nämlich über einen « Ewigen Kalender ». Dabei wechselt die Datumsanzeige unabhängig von der Anzahl der Tage eines Monats automatisch auf den 1. des neuen Monats. Auch Schaltjahre, deren Jahreszahlen durch vier teilbar sind und in denen der Februar 29 Tage hat, werden bei dieser Uhr berücksichtigt, nicht aber die Ausnahmen nach dem Gregorianischen Kalender : Wenn die Jahreszahl durch 100 teilbar ist, dann ist das betreffende Jahr kein Schaltjahr, wenn jedoch die Jahreszahl durch 400 teilbar ist, ist das Jahr wieder ein Schaltjahr. Heute werden gelegentlich mechanische Uhren gebaut, die auch diese Ausnahmen einbeziehen und mit dieser sehr aufwendigen zusätzlichen Funktion zur Uhrzeit unser Sonnenjahr genau abbilden.
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Auszug aus dem Buch von Monika Leonhardt „Mehr als die Uhrzeit: Komplizierte Kleinuhren des Musée international d'horlogerie", Neuchâtel: Alphil, 2018.
Fotos: Musée international d'horlogerie, A. Henchoz